Berufsbild und rechtliche Rahmenbedingungen
Das Berufsbild des Versicherungsberaters
1. Allgemeines
Der Beruf des Versicherungsberaters ist eine Tätigkeit, die selbständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden muss. Seine berufliche Leistung besteht in einer von Eigeninteressen unbeeinflussten, nur an den Interessen seines Auftraggebers ausgerichteten Beratung und außergerichtlichen Vertretung in Versicherungsfragen. Um die dazu notwendige Objektivität, Unabhängigkeit und Neutralität zu gewährleisten, hat der Versicherungsberater jede Gefahr von Interessenkollisionen zu vermeiden. Vor allem ist es ihm verboten, Provisionen oder sonstige Vergütungen von Versicherungsgesellschaften oder Versicherungsvermittlern anzunehmen oder gar zu fordern. Der Versicherungsberater darf von der Versicherungswirtschaft keinen wirtschaftlichen Vorteil erhalten oder in anderer Weise von ihr abhängig sein. Der Auftraggeber, dem allein der Versicherungsberater verpflichtet ist, hat daher die uneigennützige Leistung des Versicherungsberaters in eigener Person zu honorieren.
Versicherungsberater sind Rechtsdienstleister und gehören zu den registrierten Erlaubnisinhabern gemäß Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (BGH I ZR 67/18). Die Versicherungsberater besitzen keine eigene Berufsordnung; die Regelungen für diesen Beruf finden sich hinsichtlich der Berufszulassung in der Gewerbeordnung, hinsichtlich des Berufsrechts im Versicherungsvertragsgesetz, dem Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz und dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Diese Vorschriften entsprechen auch weitgehend den Regelungen für die Berufsausübung und die Berufspflichten der Rechtsanwälte. Eine Mehrfachzulassung als Versicherungsberater und z. B. Rentenberater, Honorar-Finanzanlagenberater und Honorar-Immobiliardarlehensberater ist möglich. Der Versicherungsberater ist ein mit dem Rechtsanwalt vereinbarer Beruf.
Der Versicherungsberater ist verpflichtet, seine Vergütung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) abzurechnen. In der Regel wird eine Vergütungsvereinbarung mit dem Auftraggeber im Rahmen des RVG getroffen. Die Vereinbarung einer Erfolgsvergütung ist dem Versicherungsberater unter-sagt (z. B. BGH I ZR 67/18).
2. Berufsbild und berufliche Tätigkeit
Die für den Beruf des Versicherungsberaters geltenden Regelungen finden sich vor allem in der Gewerbeordnung (GewO) und dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). § 59 (Abs. 1) VVG grenzt Versicherungsvermittler (Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler) vom Versicherungsberater (§ 59 (Abs. 4)) ab. Versicherungsberater ist, „wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein“.
Durch die Legaldefinition in § 59 (4) VVG sind die beruflichen Befugnisse eines Versicherungsberaters ab-schließend festgelegt. Dies gilt jedoch nur für die rechtliche Seite der Tätigkeit, da die wirtschaftliche Tätigkeit des Versicherungsberaters keinen Einschränkungen unterliegt. Von der geschichtlichen Entwicklung her verstehen sich die meisten Versicherungsberater als Berater für die gewerbliche Wirtschaft, den Mittelstand, Selbständige und Freiberufler. Vor allem in der gewerblichen Wirtschaft ersetzen oder ergänzen die Versicherungsberater den Unternehmen die eigene Versicherungsabteilung und betreuen aufgrund langfristiger Dienstverträge den Versicherungsbestand von Unternehmen. Einige Versicherungsberater haben sich zu-dem auf die Beratung großer Unternehmen und die öffentliche Hand ausgerichtet.
Diese Tätigkeit ist nicht nur rechtlich ausgerichtet, sondern setzt auch betriebswirtschaftliche und technische Kenntnisse voraus. Ein Versicherungsberater muss in der Lage sein, eine Gesamtrisikoanalyse für ein Unternehmen durchzuführen und festzustellen, welche Risiken des betreffenden Unternehmens versichert wer-den müssen, welche Versicherung hierfür am besten geeignet und am kostengünstigsten ist und welche Risiken das Unternehmen selbst tragen kann. Erst wenn der Versicherungsberater den Versicherungsbestand eines Unternehmens und die dadurch bewirkte Risikoabdeckung voll überblickt, kann er dann bei Bedarf den Versicherungsbestand umstrukturieren und aktuellen Entwicklungen anpassen. Aufgrund seiner Kenntnis der gesamten Preisgestaltung der Versicherungswirtschaft in den verschiedenen Versicherungssparten wird er dann für seine Auftraggeber nicht nur die bestmögliche Risikoabdeckung, sondern auch die kostengünstigste herbeiführen. Er wird in der Regel das gesamte Versicherungswesen des von ihm betreuten Unternehmens neu organisieren und ein Vertragswerk schaffen, das speziell den besonderen Bedürfnissen des Auftraggebers angepasst ist. Er konzipiert und verhandelt im Auftrag seiner Auftraggeber mit der Versicherungswirtschaft neue Versicherungsverträge unter Abwägung von Risiko und Wirtschaftlichkeit und passt die bestehenden Versicherungsverträge an die jeweiligen Risikoverhältnisse an. Er stellt den Versicherungsschutz durch Erfüllung aller vertraglich vereinbarten Obliegenheiten und Koordination der Schadensverhütungsmaßnahmen mit den Versicherungen sicher und wählt die in Frage kommenden Versicherungsgesellschaften für seine Auftraggeber aus; diese Tätigkeit wird sich in Zukunft aufgrund der Fortentwicklung der EU und der wegfallenden Beschränkungen in der Versicherungswirtschaft auf sämtliche Versicherungsgesellschaften der EU erstrecken müssen. Seine laufende Betreuungsarbeit gewährleistet seinen Auftraggebern, dass der aktuelle Versicherungsbestand den jeweiligen Erfordernissen entspricht. Der Versicherungsberater leistet für seine ständigen Auftraggeber die selbständige Bearbeitung aller Versicherungsfragen, die außergerichtliche Abwicklung von Schadensfällen, Risikoüberwachung in sämtlichen Betriebszweigen und die wirtschaftliche Absicherung des Versicherungsbedarfs.
Der Versicherungsberater ist jedoch nicht auf die wirtschaftliche, technische und rechtliche Beratung der Wirtschaft beschränkt, sondern steht ebenso dem rechtsuchenden Publikum in allen Versicherungsfragen zur Verfügung. Bei der Tätigkeit für das allgemeine Publikum spielen jedoch andere Versicherungszweige die Hauptrolle, nämlich die Personenversicherungen (Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung) sowie die Schadensversicherungen für den privaten Bereich (Feuer-, Einbruch- und Diebstahl-, Haushalts-, Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Tier- und ähnliche Versicherungen). Die Beratungstätigkeit gegenüber dem rechtsuchenden Publikum beginnt ebenfalls zunächst mit der Risikoanalyse und der Erfassung der bestehenden Versicherungsverträge und führt dann später zur Gestaltung eines Versicherungsschutzes, der auf die Bedürfnisse des jeweiligen Auftraggebers zugeschnitten ist. Der Versicherungsberater wird dabei seinen Auftraggebern nicht nur die bestmögliche, sondern auch die kostengünstigste Versicherung empfehlen und für den Auftraggeber dann auch die notwendigen Verhandlungen mit den gemeinsam ausgewählten Versicherungsgesellschaften führen. Dieses Tätigwerden im Auftrag und in Vollmacht des Auftraggebers darf jedoch nicht mit der dem Versicherungsberater verbotenen Vermittlung von Versicherungsverträgen verwechselt werden, wie diese von den Versicherungsmaklern durchgeführt wird. Der Versicherungsberater wird wie ein Rechtsanwalt als bevollmächtigter rechtlicher Vertreter seines Auftraggebers gegenüber der Versicherungswirtschaft tätig, er darf von der Versicherungswirtschaft keine Vermittlungsprovision annehmen.
Die beiden vorstehend geschilderten Haupttätigkeitsfelder eines Versicherungsberaters kann der Versicherungsberater aufgrund seiner Erlaubnis durchführen. Er kann sich auch spezialisieren und frei entscheiden, ob er mehr der gewerblichen Wirtschaft oder mehr dem allgemeinen Publikum zur Verfügung stehen will.
Eine berufliche Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten wird oftmals erforderlich sein, wenn juristische Spezialkenntnisse benötigt werden und vor allem, wenn es um die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen geht. Auch für die Berufe der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer stellt die Tätigkeit des Versicherungsberaters eine wertvolle Ergänzung dar.
Seit Anfang der 2000er Jahre ist zudem eine verstärkte Nachfrage der Öffentlichen Hand für die Leistungen von Versicherungsberatern festzustellen. Das öffentliche Haushaltsrecht fordert einen wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln. Feststellungen von Rechnungshöfen und Prüfungsämtern und die Verschärfung des Vergaberechts haben dazu geführt, dass Kommunen und andere Öffentliche Einrichtungen ihren Umgang mit versicherbaren Risiken überprüfen lassen und hierbei auf spezialisierte Versicherungsberater zurückgreifen. Versicherungsberater unterstützen bei der Analyse und Neuordnung der Versicherungsverträge und bei der Durchführung von Vergabeverfahren, national oder europaweit.
Im Bereich des Ansparens von Vermögenswerten für die private und betriebliche Altersversorgung stellen versicherungsförmige Anlageinstrumente nur einen kleinen Ausschnitt an möglichen und zweckmäßigen Gestaltungen dar. Dies ist der über die Jahre stets weiter ausgehöhlten Absicherung des biometrischen Risi-kos der Langlebigkeit geschuldet, ebenso den hohen Kosten und Intransparenz der versicherungsförmigen Produkte zur Altersversorgung. Während die Risiken des Todes und der Berufsunfähigkeit sehr gut versicherungsförmig abgesichert werden können, funktioniert diese Risikoübertragung bei der Altersversorgung nur noch bedingt. Eine Zusammenarbeit von Versicherungsberatern mit unabhängigen Honorar-Finanzanlagenberatern und Rentenberatern kann die Beratungskompetenz sinnvoll ergänzen, wenn der Versicherungsberater im Interesse seiner Mandanten einen entsprechenden breit gefächerten Beratungsansatz darstellen möchte. Ein wachsender Anteil der Versicherungsberater, die in diesem Segment Ihren Schwerpunkt legen, hat daher Mehrfachzulassungen. Hierbei muss der Versicherungsberater jedoch darauf achten, dass bei der Wahl der Kooperationspartner oder einer eigenen Zulassung keine Interessenskonflikte entstehen. Daher müssen bei Mehrfachzulassungen oder Kooperationspartnern als Versicherungsberater und Rentenberater und Honorar-Finanzanlagenberatern und Honorar-Immobiliendarlehensberater die Berufsgrundsätze des Versicherungsberaters auf alle Tätigkeitsbereiche angewandt werden.
Weitere gesetzliche Grundlagen für Versicherungsberater:
Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Dieses Gesetz regelt die Beziehungen zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern und enthält wesentliche Bestimmungen zum Versicherungsvertragsrecht. Für Versicherungsberater, § 59 Abs. 4 VVG, ist insbesondere der Abschnitt 7 mit dem Unterabschnitt 1 (§§ 59 bis 68 VVG), also die Begriffsbestimmungen sowie die Regelungen zur Beratungspflicht und Dokumentation wichtig.
Gewerbeordnung (GewO): Die GewO legt die Rahmenbedingungen für die Berufszulassung und Ausübung eines Gewerbes in Deutschland fest. Für Versicherungsberater sind hier vor allem die Paragraphen zum Erlaubnisverfahren und zu den beruflichen Pflichten relevant, § 34d Abs. 2 GewO.
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG): Dieses Gesetz regelt die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen und hat somit indirekte Auswirkungen auf die Beratungstätigkeit von Versicherungsberatern, insbesondere im Hinblick auf den Abschnitt 5 (§§ 48 – 51 VAG) bezüglich die Frage nach Nettotarifen ohne Provisionen bzw. der Provisionsdurchleitung, §§ 48a bis 48c VAG.
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG): Diese Regelwerke sind für den Umgang mit personenbezogenen Daten von Mandanten relevant. Sie definieren die Anforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz.
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Das UWG ist relevant für die Werbe- und Marketingaktivitäten von Versicherungsberater*innen und stellt sicher, dass diese im Wettbewerb fair und nicht irreführend agieren.